Nach
einer erlebnis- und kalorienreichen Woche
Mecklenburg-Vorpommern und Berlin stellte sich für die
zweite Ferienwoche die Frage nach einem Kontrastprogramm.
Wie so oft, sollten kulinarischen Höhenpunkte durch
gleichzeitige Bewegung gewichts- und gewissensbissneutral
kompensiert werden können
Die Via Spluga empfohlen durch Wanderer unseres
Vertrauens (Danke Beatrice) erwies sich als das Objekt
unserer Bewegungsbegierde. Wir buchten kurz entschlossen am
Montag Mittag um gleichentags nach Thusis anzureisen. Für
den kurzfristigen Buchungseinsatz aller Hotels ein Danke an
die kompetente Organisation durch
www.viamala.ch
Der Start in Thusis gestaltet sich entspannt, das Weisse
Kreuz zeigt sich stylish und bezahlbar und die
Seniorenreisegruppe, die mit uns den Speisessaal teilt,
erweist sich als „harmlose Bustouristen“ also keine
Massenbewegung Richtung Chiavenna, zumindest noch nicht um
diese frühe Jahreszeit.
Die Wanderung, die einem alten Säumerweg folgt, wird in 4
Tagesetappen mit ca. 5-6 Stunden Wanderzeit unterteilt,
Höhenmeter 3600 hoch, 3900 runter bis zum Ziel Chiavenna.
Obwohl wir in den Fusstapfen der Säumer wandern wollten,
beschliessen wir den unwürdigem aber verdankten
Gepäcktransport in Anspruch zu nehmen und nur Wein und
Proviant über die Grenze zu schütteln. Dabei bringt die
Verpackung im Tetrapack eine deutliche Gewichtseinsparung
aber macht den Billigwein nicht wirklich besser, - was uns
aber im Vergleich zu unseren Vorgängern passend erscheint,
deren Holzfässchen waren ja wahrscheinlich auch nicht nur
mit Grand Cru gefüllt.
Viele Highlights liegen an diesem ersten
Streckenabschnitt, die Burganlage Hohen Rätien, die Via Mala
Schlucht und die Kirche in Zillis mit ihren fantastischen
Fabelwesen an der Decke. Der erste Wandertag klingt im
Thermalbad in Andeer muskelkaterfreundlich aus. Die vielen
Senioren bestärken das eigene Gefühl der Jugendlichkeit. Ein
weiteres weisses Kreuz lässt unseren Tag mit guten Essen und
grosser Gastfreundschaft ausklingen.
Der 2. Wandertag steht unter dem gleichen Motto wie das
Denkmal in Andeer „Ehre der Arbeit und dem schöpferischen
Geist“. Ein Steinbruch, ein Kraftwerk, die Autobahnbrücken
unter denen man stundenlang wandert, viel Menschwerk, -
gekrönt von der Rofflaschlucht. Der Felsenweg der dort zum
Wasserfall führt, wurde von einem Bündner und dessen Familie
nahezu im Alleingang in siebenjähriger Arbeit mithilfe
einfachster Werkzeuge und ein paar Stangen Dynamit Anfang
1900 in den Fels gehauen. Wie er darauf kam? Nun das Motto
von Andeer und die Inspiration durch die Niagarafälle
genügten als offensichtlich als Motivation. (Zum Thema
Testosteron komme ich noch).
Endlich, - unser Tagesziel Splügen vereint die Tradition
mit der Moderne, der nahe Autobahnzubringer der St.
Bernardinoroute stört das Ortsbild kaum, viele Häuser und
Hotels haben sich den alten Charme erhalten, - das erneute "
Weisses Kreuz " unser Hotel dieses Mal eine absolut
faszinierende, wenn auch nicht immer in allen Punkten
zweckmässige Metamorphose zwischen Alt und Neu.
Highlight der Wanderung ist der 3 Tag, - die Wanderung
auf dem alten Säumerpfad über den Splügenpass. Die
Serpentinen der Autostrasse winden sich unweit,
erfreulicherweise ist der Verkehr nicht so gross, dass er
das Idyll andauernd stört, - am Stausee von Monte Spluga
verlassen wir deren Präsenz. Die Cardinell Schlucht im
Abstieg erweist sich als romantisches, abgelegenes
Highlight. Hier wird klarer, welche Gefahren und Hindernisse
früher überwunden werden mussten, unwillkürlich sucht der
Blick noch nach einem der Hunderten Gerippe von Mann und
Pferd welche z.B. die Überquerung des Passes durch McDonald
forderte.
http://prod.swisstopogeodata.ch/kogis_apps/ivs2b/kh/gr_kantonsheft.pdf
Unser erste Herberge auf italienischen Boden ist herrlich
authentisch in jeder Hinsicht, in diesem Dorf mischt sich
Altes mit Neuen und Verwahrlosten, - kein Denkmalschutz hält
offensichtlich die Hand über die Bauten, alles wird
zweckmässig oder einfach nach Mitteln und Geschmack
renoviert und angepasst. Hier treffen sich sich auch das
erste Mal alle die Wanderer, die sich zwar tagsüber immer
wieder Mal sehen, aber bisher am Abend immer separiert
assen, in einem romantische unverfälschte Esssaal aus dem 18
Jahrhundert an einem grossen Tisch . Wir haben uns viel zu
erzählen, schlussendlich bringt jeder eine andere Geschichte
mit auf seinen Weg und die offerierten Schnäpse tun ihr
übriges um einen losen Kontakt zu knüpfen, um dann zwei
witzige, entspannte und interessante Abende miteinander zu
verbringen.
Die letzte Etappe nach Chiavenna führt uns durch Wälder
in den offensichtlich noch Bären hausen, die wir gottseidank
nicht zu Gesicht bekommen. Wer will schon einer
unausgeschlafenen, hungrigen Mama-Bär begegnen, WWF-Mitglied
hin oder her. Der Weg geht entlang eines gestauten Flusses,
der an einigen Stellen noch eindrücklich seine Kraft zeigt
und Brücken und Ufer an manchen Stellen einfach mitgerissen
hat. 1000 Höhenmeter weiter unten erwartet uns Chiavenna mit
romantischer Altstadt und guten Gelati. Die Knie schmerzen
trotzdem!
(Fast) empirische Forschungsergebnisse:
Deutsche Mediziner in der Sinnfrage nahmen in der von uns
angetroffenen Gruppe den grössten Anteil ein. Ob das was mit
Ulla Schmid und ihren Reformen zu tun hat? Besonders
interessant war dabei der Hund mit dem Mann mit dem
glänzenden Fell (gilt für beide), wir hoffen das sie sich
die Frage nach dem „Wie Weiter“ nun beantworten können.
Obwohl sich alle Wanderer auf der Route kennen und
schätzen lernten, blieb eine natürliche Rivalität während
der Wanderung erhalten, - jedes Duo lief getrennt los und
unsere Testosteron getriebenen Männer verfolgten jeden
auftauchenden Rucksack mit grossen Ehrgeiz und dem Ziel
diesen dann auch zu überholen. Meine persönliche
Schlussfolgerung ist dass unsere Geschlechtsgenossen wohl
seit dem Zeitpunkt ihrer Entstehung in einem
„Sprintwettkampf“ stehen, - schlussendlich musste sich jeder
von Ihnen schon einmal gegen Millionen anderer kleiner
Wanderspermien durchgesetzt haben, - daher für mich
nachvollziehbar und okay.
Eine weitere nicht empirisch belegbare Studie bewies,
dass die Ameisen kleine Kostproben unseres Brotes der
vorzugen, der grosszügig offerierte Rohschinken wurde
ignoriert, der Käse komplett verschmäht. Die Splügenameisen
verhielten sich diesbezüglich gleich wie die Talameisen, -
nur die italienischen Ameisen verschmähten (wie wir) das
trockene, geschmacklose Brot ihrer eigenen Landsleute. Ich
hoffe, dass wir mit den grosszügigen Fütterungen zumindest
teilweise das Ameisenmassaker, das Peter in unseren
Pflanztöpfen angerichtet hat, wieder gut gemacht haben.